Intern Kontakt Suche
 

Das grosse Diktat

Wie erklärt man einem technologieabstinenten Zeitgenossen die grossen drei Internetplattformen? Facebook: das Nichtschwimmerbecken für digital Aktive. Twitter: die digitale ADHS-Version eines Kurzgesprächs inklusive programmierter Impulskontrollstörung. Instagram: das klischeehafte Spieglein an der Wand einer narzisstischen Weltöffentlichkeit.

Und welche der drei empfiehlt es sich zu meiden, wenn man moralisch und zeitorganisatorisch unversehrt bleiben will? Facebook wirkt beim Durchspulen der hanebüchenen Äusserungen sogenannter Freunde wie Zen-Buddhismus gegenüber Twitter. Dort herrscht aggressive Laberstimmung, mal als politische Debatte verpackt, mal als geboosterte Zurschaustellung unverhohlener Exzentrik.

Also zu Instagram? Da sieht vieles adrett aus, weitgehend stilvoll – die Verhaltensregeln sind einigermassen strikt und nachvollziehbar. Doch Instagram, das sei anfangs gleich gesagt, ist, was kulturelle und mentale Verheerungen in der global bespassten Bilderkonsumentenschaft angeht, das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Die Mach-deine-Nase-schmaler-und-deine-Augenlider-straffer-Eigenmodellierung per Facetune ist nur eine von vielen Raffinessen, mit denen Instagram die mediale Repräsentation von uns allen wiedergibt und auf die nächste Ebene der Heuchelei hievt.

Weil Instagram mittlerweile auf jedem Smartphone installiert ist, beginnt sich eine Bildpraxis durchzusetzen, die ihre Inszenierungsweisen den Teilnehmenden auferlegt, als hätten sich Stalin und Warhol ein Businessmodell zusammengeschustert. Instagram ist ein schick/chic hergerichteter Mediengulag, in den irgendwann jeder Einzelne einziehen muss. Im Bilderknast der Plattform fühlen sich alle frei, sie selbst zu sein.

 

Dieser Text stammt aus dem Feuilleton der NZZ vom 25. August 2022. Er wurde bearbeitet und gekürzt.